Im LKW verbringe ich eine ruhige Nacht, doch Sertac will ebenfalls früh los, so dass wir uns schon vor 7 Uhr aufmachen. Es wäre wohl doch eine Schnapsidee gewesen hier zwischen den Städten zu übernachten, extrem viel Verkehr ist hier auf der Autobahn und die Küstenebene intensiv genutzt. Irgendwo im Industriegebiet von Mersin werde ich nun herausgelassen und verabschiede mich herzlich von meinem Gastgeber. Für mich soll es nun die Küste weitergehen, eine Strecke, die wohl LKW für die langen Strecken eher meiden und die stattdessen die grosse Autobahn nehmen, die durchs Landesinnere geht.
Es dauert allerdings recht lange, bis ich endlich das erste Mal einen Blick auf das Meer werfen kann. Die Strasse führt nämlich noch ewig durch lange Reihen von gesichtslosen Hochhäusern. Da kommen einem schon Zweifel an der Überbevölkerung, welche hier in modernen Wohnhöhlen haust. Auch hinter Mersin geht es verstädtert weiter. Erst in Kizkalesi kann ich mal kurz das Meer geniessen, dort liegt auch die Insel der Jungfrauen und eine ansehliche Festung. Die Landschaft bessert sich nun etwas, doch erst hinter Silifke kommt Küstenfeeling auf. Während der Wind bis Silifke zwar nicht günstig war, wird er nun zum Fiasko, er frischt richtiggehend zu einem Gegensturm auf. Zum Glück nimmt er hinter Silifke leicht ab, das Tal scheint dort einen Düseneffekt zu haben, doch weitere Düsen warten auf mich. So gestaltet sich der Nachmittag anstrengender, als erwartet. Dabei muss langsam schon der Schlusspunkt angepeilt werden, der Flug ab Istanbul steht, nur noch nicht der Ort ab dem ich per Bus nach Istanbul fahre. Das kann Antalya oder Konya sein. Konya würde noch einmal einige schöne Inlandspässe bedeuten, doch bei dem Vorankommen dürfte der Zeitplan nicht mehr zu halten sein, zumal ja unbekannt ist, wann die Busse fahren. Hinter Siflike tritt nun endlich die Besiedelung teils vollständig zurück. Es hat nun vor allem Ferienanlagen, bei einem Ort wird man durchgeleitet, da die Hauptstrasse in Bau ist, kurz darauf die nächste Baustelle, eine riesige Mole wird gebaut, in ihr soll zukünftig eine Pipeline nach Nordzypern geführt werden. Von hier fahren auch Fähren ab, besonders interessant ist das Angebot, welches in den Libanon führt. Die Strasse steigt nun häufig mal stärker an und führt durch Wälder. Doch nicht mehr lange, teils werden riesige Tunnels gebaut, welche die starken Zwischensteigungen abkürzen und wohl dereinst für mehr LKW-Verkehr sorgen werden. Dieser ist hier stark zurückgetreten. Gerade als ich über einen Pass komme, gibt es einen lauten Knall, im Tal weit unter mir steigt Staub auf, es wird für die Strasse gesprengt.
Nach schneller Abfahrt auf neuer Strasse führt die Strasse endlich mal wieder am Meer entlang, natürlich hat es nun auch wieder touristische Einrichtungen, so dass es im Restaurant Abendessen und WLAN gibt. In der Türkei haben wir uns keine SIM-Karte geleistet, da man eine sehr teure Registrierung vornehmen muss, so dass es sich für die zwei Wochen nicht lohnt. Zudem scheint die Freischaltung nicht immer zu klappen. Schon erstaunlich der Unterschied zu den zentralasiatischen Ländern.
Eigentlich will ich jetzt einen Schlafplatz in Meeresnähe finden,
doch nachdem ein sehr einfacher Campingplatz in Sicht kommt, lenke ich
auf diesen ein. So gibt es sogar noch eine einfache Dusche und einen
Aussichtsplatz über dem Strand. Neben mir sind die einzigen Gäste ein
deutsches Pärchen, bzw. ein deutsch-türkisches Pärchen, die Frau ist
ursprünglich aus der Türkei. Mit ihnen unterhalte ich mich noch lang,
sie sind mit einem zum Wohnmobil umgebauten VW-Bus unterwegs und wollen
noch weiter in den Osten. Der Mann träumt noch von Kirgistan, allerdings
erst nächstes Jahr. Da sie öfter hier Urlaub machen, erfahre ich noch
einiges Nützliche. Der Wind der mich heute so gequält hat, scheint in
der Gegend berüchtigt zu sein und kann mehrere Tage anhalten. Die neue
Strasse stört den Mann, sie nimmt viel Charakter von der Landschaft, zum
Glück sind erst wenige Stücke fertiggestellt. Am Strassenrand hatte ich
tagsüber manchmal Kräuterstände gesehen, die Frau klärt mich auf, dass
das Adacaye ist, ein Tee aus lokalen Kräutern. Nachdem es eine Dusche
hat, springe ich noch kurz ins Meer.
Der Wind hat am nächsten
Morgen leider noch nicht nachgelassen und so ist das Vorankommen mühsam,
zumal die Berge es nicht leichter machen. Dadurch fällt die Idee flach,
noch ins Landesinnere nach Konya zu fahren. Da muss wohl mal
wiedergekommen werden, nachdem das deutsch-türkische Pärchen so sehr von
dieser Gegend geschwärmt hat. Im Internetcafé in Anamur werden noch
Busse studiert, doch ist davon auszugehen, dass ein Transport von
Antalya nach Istanbul eine Ubiquität ist. Das Auf und Ab der
Küstenstrasse geht weiter, so dass mein neue anvisiertes Ziel, morgen
schon in Antalya zu sein, gefährdet wird. So wird dann einfach in die
Nacht hineingefahren, viel Verkehr hat es ja nicht. Doch irgendwann will
dann doch geschlafen werden. Irgendein steiler Feldweg macht mir
Hoffnung einen Platz zu finden, sonst hat es hier im Steilgelände fast
keine Gelegenheiten, doch letztlich muss auf dem abschüssigen Feldweg
selber campiert werden.
Das erste Schild am Morgen zeigt mir noch
über 200 km nach Antalya an, also ein sportliches Vorhaben dort noch am
Abend anzukommen. Dafür darf der Wind nicht zu böse sein. In der Früh
komme ich gut voran, ohne gross Wind. Von Gazipaza nach Antalya wird
entgegen der Ausschilderung die reine Küstenvariante gewählt, die
wunderbar verkehrsfrei ist, es ist die alte Strasse. Hier hat es ein
paar nette Ferienhäuser, der Kontrast kommt dann in Alanya, das so
aussieht, wie man sich die Touri-Bettenhochburgen vorstellt. Immerhin
hat es hier nun auch mal wieder Radler. Schon kurz hinter Gazipaza war
mir ein ganzes Peloton auf abgesperrter Strasse entgegengekommen, wohl
ein Rennen. Und auch hier finden sich einige Rennradfahrer in Trikots.
Es ist eigentlich ganz abwechslungsreich durch so eine reine
Tourismuslandschaft zu fahren, neben den Apartmentburgen gibt es auch
verschieden gelungene architektonische Entwürfe von Hotelbauten.
Interessant ist, dass neben den Deutschen auch die Russen eine wichtige
Zielgruppe sind, fast am häufigsten sind nun Stände in Russisch
angeschrieben. Bis Manavgat bleibt es touristisch, dann folgt vor allem
flaches Landwirtschaftsland und ich muss nochmal die Reserven
mobilisieren, schlieslich geht es auf die 200 km zu. Wann ich in Antalya
bin, kann nicht genau festgestellt werden, zu ausgeufert ist die Stadt
bereits. Im Stadtgebiet selber versuche ich erst einmal den Busbahnhof
zu finden, der einige Kilometer vom Stadtzentrum wegliegt und dessen
Ausschilderung mich fast wahnsinnig macht. Zumal am Ort des Busbahnhofes
der Zugang überhaupt nicht klar ist. An der Schalterhalle werde ich
gleich wegen Ticket angesprochen und habe ziemlich sofort ein Ticket für
den nächsten Abend. Nun kann es ins eigentliche Stadtzentrum gehen.
Dieses ist hübsch herausgeputzt und hat seinen Charakter bewahrt,
natürlich ist alles für die Touristen hergerichtet. Nachdem ein Zimmer
in der Herberge bezogen ist und die Dusche benutzt wurde, streunere ich
noch einige Stunden durch die Altstadt, man kann sich hier wunderbar
verlaufen.
Der nächste Tag wird mit weiterem Verlaufen zugebracht
und langsam an die Rückkehr gedacht, ein Friseur stellt die Ordnung
wieder halbwegs her.
Mit der Busgesellschaft habe ich wohl keine
so gute Wahl getroffen, unser Bus in Diayarbakir war deutlich
komfortabler. Als wir in der Früh in Istanbul sind, will ich schon am
südlichen Ufer aussteigen, doch der Busfahrer meint ich solle noch
drinnen bleiben, der Busbahnhof wäre zentraler. Denkste. Am schönsten
wäre es gewesen mit der Fähre zum goldenen Horn zu fahren, nun umfahren
wir dieses Städtemonster Istanbul fast noch eine Stunde um zum nicht
gerade zentral gelegenen Busbahnhof zu gelangen, von dem aus ich mich
durch unzählige stark befahrene Strassen zurück ins Zentrum kämpfe. Kurz
wird Basarluft geschnuppert, aber mit Rad darf man ja eh nicht rein. So
geniesse ich am Ufer des Bosporus die Oktobersonne und schaue den
unzähligen Schiffen zu, die die Stadt passieren. Im Anschluss wird noch
ein Outlet-Center angesteuert um einen Anzug zu kaufen, was auch zu
vollster Zufriedenheit gelingt. Der Preis ist zwar nicht billig aber für
die Qualität ganz angemessen. In der Früh hatte ich schon Schuhe
besorgt und dabei laut ausrufen müssen, als im selben Laden ein Kirgise
mit dem typischen Kirgisenhut auftauchte. Kleine Welt.
Der
einzige Stress ist nun zum Flughafen zu kommen, letztlich führt nur eine
Autobahn dort hin, in der Dämmerung sorgt die Querung der drei Spuren
um links (sic!) abbiegen zu können
für einen ordentlichen
Adrenalinflash. Am Flughafen wird dann noch alles für den morgendlichen
Abflug parat gemacht. Die Radschuhe, die 8 Monate durchgehalten haben,
werden nun gegen die frisch gekauften Lederschuhe getauscht und erstere
entsorgt. Das Rad bekommt nurmehr einen spärlichen Schutz, kommt aber
gut durch die Abfertigung. Der Flug verläuft problemlos und ich freue
mich, dass Dina mich am Flughafen abholen kommt, so waren wir nur eine
gute Woche getrennt unterwegs.
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