Mittwoch, 23. Oktober 2013

Über Kappadokien ans Meer

Der nächste Tag beginnt noch mit Nachwehen des gestrigen Regens, es ist bedeckt und eher kühl. Wir machen uns erst gegen Mittag zum Flughafen auf, Busse scheinen eher unregelmässig zu fahren, so dass wir die Strecke radeln, mit ordentlichem Gegenlüftchen.
Der Flughafen scheint wenig betriebsam zu sein, ein paar wenige Abflüge nach Ankara. Dafür klappt es mit der Gepäckaufgabe gut, das Rad kostet nicht extra, wenn man unter dem Freigepäckgewicht bleibt. Das ist bei Turkish normal anders.
Der Abschied fällt recht schwer, obwohl er nur für recht kurze Zeit ist. In den Abend hinein geht es noch zur Hauptstrasse zurück, entlang von kleinen Landwirtschaftswegen, welche durch die Aprikosenplantagen führen, für welche die Gegend um Malatya so bekannt ist. Auf der Autobahn ist dann wieder richtig Verkehr und ich hoffe fast, dass ich noch mit einem Bus oder LKW per Anhalter mitfahren kann. Doch ausser an ein paar Aprikosenständen hält kein Fahrzeug. Dafür hat sich das Wetter nun beruhigt und Regen droht nicht mehr.
Obwohl es auf einer Autobahn weitergeht finde ich die nächste Zeit kein Restaurant für ein Abendessen, noch nicht mal einen kleinen Supermarkt. Das ändert sich nicht, zumal infolge einer permanenten Steigung nicht viele Kilometer gemacht werden können. So kommt die Dämmerung, so dass ich mich immer mehr auf den Randstreifen verkrieche, bevor ich das Licht installiere. Erst als es stockdunkel ist, kommt der nächste Ort, wo ein kleiner Laden mit übersichtlichem Sortiment ein paar Chips für das Abendessen bietet.
Nach dem Einkauf wird rasch ein Schlafplatz gesucht, im Dunkeln auf der Autobahn ist nicht so gut zu fahren. Kurz hinter dem Ort bietet es sich an, auf einem stillgelegtem Autobahnabschnitt zu schlafen, man ist zwar nur 15 m von der Fahrbahn weg, doch infolge der dazwischen aufgeschütteten Erdwälle bekommt man nicht viel von ihr mit. Einziges Problem bietet die Verankerung des Zeltes auf der alten Asfaltdecke. Da der Wind in der Nacht zunimmt muss mit Steinen nochmals abgespannt werden.




Das nächste Ziel ist Kapadokien, welches aber nicht auf der Autobahn erreicht werden soll. Zum Glück gibt es noch kleinere Fernstrassen. Zunächst muss am nächsten Tag erst einmal der Pass überwunden werden. Erst nach einer ordentlichen Abfahrt findet sich der Abzweig nach Elbistan und damit eine recht kleine Strasse, die zunächst einem Tal entlang führt um dann in offenere Landschaft überzuleiten. Dort wird Höhe gewonnen und wieder verloren, doch insgesamt ist das Vorankommen nicht schlecht.
In Elbistan selbst gibt es den obligatorischen Döner, die nächsten Tage das Hauptnahrungsmittel. Danach setzt leider Gegenwind ein. Das merkt auch der einheimische Radler, welchen ich kurz hinter Elbistan überhole und der mir noch lange folgt. Ein paar Kilometer hinter Elbistan überholt mich ein Traktor mit mehreren Anhängern. Da er nicht so schnell ist, kämpfe ich mich in seinen Windschatten. Damit lässt sich wieder mit vernünftigem Tempo gegen den Wind fahren. Leider gibt es immer mal wieder leichte Zwischensteigungen, bei denen der Traktor mich abhängen kann. Nach der zweiten längeren Steigung kann der Abstand leider nicht mehr zugefahren werden und so geht es gegen den Wind weiter. Die Strecke wird dafür langsam wieder interessanter, da es mehr in die Berge geht. Herbsthimmel und Herbstluft sind heute einmal mehr besonders klar. Erst am Abend ist Göksun erreicht, wo noch eingekauft und Döner konsumiert wird. Nun heisst es einen Schlafplatz finden. Die ersten Versuche ergeben keinen sichtgeschützten Platz, doch wenig später in eigentlich relativ offenem Gelände klappt es, auch wenn die Strasse recht nah vorbeiführt.












Die Nacht ist kalt und die Hänge ringsum nehmen einen Reifpanzer an. Zum Glück geht es erst einmal weiter bergauf, so ist die Luft nicht ganz so kalt. Die OSM-Karte erlaubt wenig später eine spontane Abkürzung, die dann allerdings ungeteert ist und auf der einem erstaunlich viele schwere Bau-LKW entgegenkommen. Die Pfützen in den zahlreichen Schlaglöchern sind noch alle gefroren. Die vermeintliche Abkürzung schlängelt sich doch recht windungsreich durch die Gegend, welche die Ernte schon erfahren hat. Nur ein grösseres Dorf liegt am Strassenrand. Nachdem wieder die Hauptstrasse erreicht wurde, wird bald der nächste Alternativweg ausprobiert, leider mit weniger Erfolg. Die Wege im GPS entsprechen nicht ganz der Realität, so dass ein bisschen umher geirrt werden muss, bis endlich die Strasse gefunden ist, die schlussendlich erhöht über der weiten Fläche am Hang entlang geführt wird. Es geht nun wieder in die Berge mit richtigen Pässen. Verkehr ist nun fast keiner mehr vorhanden, dafür gibt es knackige Steigungen. Vom letzten Regenfall, d.h. dem den wir in Malatya hatten, sind noch die ganzen Bergspitzen weiss. Auf dem Hauptpass angelangt muss festgestellt werden, dass die Strasse ab hier voll in Bau ist. Somit wird nichts aus der rasenden Abfahrt auf perfektem Asfalt, Schotter ist der Belag der Stunde. Entschädigt wird dafür mit einem gewaltigen Panorama mit über 4000 m hohen Bergen. Der Vulkan Ercyes Dagi kündigt schon die Nähe zu Kappadokien an. Das Ziel heute noch bis nahe an Göreme zu gelangen ist jedoch utopisch, es wird zwar wieder in die Dunkelheit hineingefahren, doch findet sich auf der sehr ebenen Fläche eines Salars doch noch ein Sichtschutz in Form der Seitenwälle eines Kanals. Zum Glück ist die Hauptstrasse nicht so befahren, so konnte ich noch lange ohne Licht in der Nacht fahren.














Der nächste Tag sollte dann endlich Kapadokien bringen. Dazu musste noch einmal ein kleiner Pass überwunden werden, der aus der grossen Fläche herausführte. Die folgende lange flache Abfahrt bringt schon eine prima Einstimmung, die ersten Felsnadeln sind am Wegesrand und auch Höhlen sieht man allenthalben. Aber es wird auch touristischer, die ersten Pensionen tauchen in den Orten auf, den Vogel schiessen dann Ürgüp und Göreme ab, kein Wunder bei den Touristenmassen, das erreicht locker Dimensionen von Angkor Wat, unzählige Busladungen werden hergekarrt. Jetzt im Oktober scheint aber wenigstens Nebensaison zu sein. Ob der ganzen Touris plane ich ein möglichst reduziertes Programm, zunächst geht es zu den Felskirchen, der Hauptsehenswürdigkeit. Die Gegend war im übrigen vor nicht einmal 100 Jahren noch griechisch besiedelt, wie man teils an Anschriften auf den Häusern sehen kann. Immer mal wieder taucht ein Aussichtspunkt auf, von dem man auf verschiedene Felsformationen blicken kann. An den Felskirchen ist dann natürlich Trubel. Es hat recht viele von diesen Höhlenkirchen, am eindrucksvollsten sind aber nur ein paar, die noch gut erhaltene Fresken haben.
Göreme wird dann nur kurz besucht und das nächste Ziel, eine Felsenstadt, angepeilt. Diese ist ein paar Kilometer südlich und hat einen anderen Zweck als die Felskirchen. Es waren richtig gehende Fluchtorte, in denen die Einwohner sich für Wochen mit Vorräten einschlossen.
Am späten Nachmittag geht es nunmehr wieder in Richtung Berge, das Mittelmeer ist das nächste Ziel. Dazu müssen erst mal die Flächen von Kapadokien hinter sich gelassen werden. Wieder wird es spät und spontan wird noch einmal umgeplant, da eine Variante im GPS noch einen Nebenweg über die Berge verspricht. Hinter dem letzten Dorf muss nur noch ein Schlafplatz gefunden werden, was nicht so einfach ist, da doch immer mal wieder ein Fahrzeug auf einsamer Strecke daherkommt. Schlussendlich wird doch ein exponierter aber von den Feldwegen wenig einsehbarer Platz gefunden. Kaum ist das Zelt aufgestellt, als noch einige Traktoren vom Feld heimfahren. Und auch im Anschluss verirren sich hier ins Niemandsland immer noch ein paar Fahrzeuge.






























Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass es weiter hinten noch einen Steinbruch gibt, vielleicht kamen die Fahrzeuge von dort her. Auf jeden Fall wird es nun viel einsamer, aber die Strasse geht immer noch asphaltiert weiter. Unklar ist ob ich wie beabsichtigt, wirklich ins andere Tal komme. Während ich einsam dahinradle, tauchen auf einmal oberhalb zwei Hunde auf, doch sind diese wieder gar nicht aggresiv, sondern nur auf Ausschau nach einem Herrchen und folgen mir so noch ein paar Kilometer, bis ein Auto entgegen kommt und mich ablöst.
Kurz vor dem Pass kommt nochmals ein Dorf, dann geht es endlos runter ins andere Tal, zunächst noch frisch, wird es nach unten immer wärmer. Im Haupttal geht es auf einer fetten aber unbefahrenen Hauptstrasse weiter, bis nach einiger Zeit die Autobahn der kilikischen Pforte erreicht ist. Kurz davor erwischt es mich leider mit einem Platten, der die bisher perfekt laufende Fahrt unterbricht. Etwas unwillig wird schnell geflickt um dann noch die letzten Kehren zur Autobahn zu fahren. Es ist brutal, was hier an Lastwagen unterwegs ist. Darauf gibt es im nächsten Ort erst einmal ein Mittagessen. Ich muss wieder etwas warten, die Restaurantbetreiber bauen gerade um und so wird erst einmal der Ofen für den Fladen angeschmissen. Dafür mundet der ofenfrische Fladen ganz gut, endlich mal kein Döner. Zum Glück kann ich mich bald von der Autobahn verabschieden und auf die normale Hauptstrasse ausweichen. In den Kiefernwäldern steht heute allerdings die Hitze, so dass mir der Schweiss in Strömen rinnt, zumal es unerwartet viel bergauf geht. An einem kleinen Bächlein wird noch eine Waschsession eingelegt, nachdem ich in Kappadokien ja keine Herberge genommen hatte, ist das auch mal wieder fällig.
Mein heutiges Ziel ist Tartessos, bzw. peile ich einen Übernachtungsplatz zwischen Tartesos und Mersin an, vielleicht ginge ja sogar was am Meer? Nur zieht sich die Strecke viel länger als erwartet, da immer mal wieder ein Zwischenpass ansteht. Am späten Nachmittag bin ich aber aus dem schönen Gebirge draussen und es wird immer landwirtschaftlicher. Als ich auf der Autobahn kurz vor Tartesos bin winkt mich ein LKW-Fahrer zu sich und bietet mir an, dass ich bei ihm übernachten könnte. Es ist Sertac, er kommt von Tartesos und wir laden schliesslich das Rad in den leeren Anhänger. Anscheinend nimmt er gerne mal Touristen mit, zumindest erzählt er gleich von seinen zahlreichen Bekanntschaften. Er lernt wohl gerne Englisch und so ist es angenehm endlich mal mit einem Einheimischen in Konversation zu kommen.
Für mich ist es aber auch ein kleiner Kulturschock, da jetzt auf einmal die Kurden die Bösen sind. Anscheinend gibt es hier richtige Ghettos und bei ihm kommen die Kurden nicht gut weg, alles Terroristen. Bevor wir bei ihm zu Hause sind, gibt es noch eine Spezialität, verkokelte Gedärme, ich hoffe da ist nichts ungesundes drinnen.
Früher ist er vor allem international gefahren, d.h. bis nach Usbekistan und kennt daher alle Kaukasus-Länder aber vor allem Irak, Iran und Turkmenistan. Das gibt mir eine gute Gelegenheit zu erfahren, wie die Grenzabwicklung ist. Sie ist wohl auch der Grund, warum er seinem Chef gesagt hat, dass er nur noch innertürkisch fahren will. Insbesondere beim Irak muss die Grenze reine Willkür sein und die LKW-Fahrer müssen tagelang warten, bis die Grenzer bei Lust und Laune sind, sie durchzulassen. Georgien nennt er da als Musterland.
Der LKW wird vor der Haustüre geparkt, zu Hause geht es lautstark zu, aber ich kann mich dennoch auf die Bank im Garten setzen. Schliesslich wird der LKW noch für die Nacht präpariert, der Anhänger kann hydraulisch in der Höhe verstellt werden. Damit kein Benzin geklaut wird, klemmt mein Sertac mit Hilfe von Holz ein Hohlgefäss über den Tankdeckel, durch die hydraulische Verstellung kann man so als normalkräftiger Mensch nicht mehr an den Tank.
So ein Besuch muss dann natürlich gleich mit Freunden geteilt werden, so dass noch zwei Kollegen zu ihm kommen, einer muss aber als Feuerwehrmann gleich auf seine Schicht.
Die Nacht kann ich dann im LKW im Fahrerbett verbringen.



















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