Freitag, 4. Oktober 2013

Eine weitere Hintertür in Georgien

Auch die Georgier haben wieder nichts dagegen uns rein zu lassen. Wir erkundigen uns noch schnell an der Grenze, ob der Shortcut in die Türkei offen ist, doch leider scheint dem nicht so zu sein. Es gäbe noch eine direktere Grenze in die Türkei, die aber immer noch geschlossen scheint, wir müssen also ein wenig ausholen und über Akhaltsikhe nach Possof fahren, wenigstens bleibt uns der Umweg über Batumi erspart. Aufgrund der Wettervorhersage ist klar für uns, dass wir so schnell wie möglich in die Türkei wollen. Eigentlich war angedacht noch eine Runde bis nach Svaneti zu fahren, doch der Wetterbericht im Norden ist einfach nur himmeltraurig, 6 Tage Dauerregen und Schnee am Stück. Das bestätigt uns auch wenig später James, der mit einer Gruppe gerade in Nordossetien unterwegs ist und wenig Freude am Regen hat. Für die Türkei in der Region um Kars scheint es nur 2-3 Regentage zu geben, während Batumi mehr Regen abbekommt. Auch das deutsche Pärchen am Aragats hatte wohl vor ein paar Jahren schon Erfahrung mit Herbstdauerregen hier in der Region gemacht.
Nach der Grenze muss erst einmal wieder ein Schlafplatz gefunden werden, bei der offenen Landschaft kein leichtes Unterfangen. Als wir nach einigen Ortschaften einen Feldweg finden, der einem schmalen Baumstreifen entlangführt, nützen wir die Gelegenheit. Mit leichtem Sichtschutz ist das Zelt schnell aufgebaut. Der Forstweg stellt sich allerdings als regelmässig benützte Abkürzung zu einem Dorf heraus, so dass noch einige Fahrzeuge vorbeikommen, die uns aber in der Deckung nicht erkennen.
Der Folgetag ist extrem windig, zunächst noch eher von der Seite. Wir passieren einige riesige EU-geförderte Baustellen, es entstehen im Niemandsland gigantische Bahnhöfe. Die Bahnverbindung von Georgien in die Türkei ist schwer in Bau. Sie hatte wohl früher schon einmal bestanden, doch nun wird von Grund auf neu gebaut, das alte kleine Bahnhofsgebäude hat ausgedient. In Ninotsminda sind wir erst am späten Vormittag und gönnen uns schon einmal ein Mittagessen. Als nächstes haben wir einen Abstecher zum sehr bekannten Höhlenkloster von Vardzia geplant. Statt die normale Strasse zu nehmen, die einen grossen Umweg macht, wollen wir einen Nebenweg versuchen, der direkter geht. Zunächst geht es über eine grosse Fussgängerbrücke in Ninotsminda über das tief eingeschnittene Flusstal. Kurz nach dem Ortsausgang geht schon die erst Strasse ab, bei der wir einen Lieferwagen fragen, ob denn auch ein Durchkommen nach Vardzia ist. Der bejaht und bietet uns sogar an mit ihm mitzufahren. Wir nehmen dankend an, da unsere Fahrtrichtung komplett gegen den Wind (bzw. Sturm) gehen würde und wir fast nicht vorwärts kommen würden. Der Lieferwagen ist, wie so viele andere in Georgien, ein Ford Transit, er soll Kartoffeln von der Ernte abholen. Die wird gerade überall im Land durchgeführt. Die Leute hier sind übrigens noch von der armenischen Minderheit, und fühlen sich etwas benachteiligt. Anscheinend gibt es Ressentimente, welche auch darauf basieren, dass die georgischen Armenier sich einmal dafür eingesetzt haben, dass der Landstreifen wieder zu Armenien kommt.
Am Bestimmungsort angekommen muss unser Fahrer erst einmal ein wenig telefonieren, bis er zum richtigen Feld gelangt. Wir steigen derweil aus und bekommen noch den Weg ins nächste Dorf beschrieben. Es ist nicht viel mehr als ein Feldweg, den wir nun entlang fahren. Dafür entschädigt die karge Wiesenlandschaft. Wir folgen in etwa dem grob beschriebenen Weg und kommen nach einer Hügelgruppe noch einmal an Kartoffelfeldern vorbei, auf denen auch geerntet wird. Doch irgendwann verläuft sich unser Weg im Nirgendwo der Felder und wir müssen selbst schauen, wie wir weiter kommen. In Luftbild und Karte hat es hier einen Waldstreifen, der durchfahren werden müsste, natürlich weglos, bzw. nach etwas durch den Wald kreuzen, gelangen wir zumindest auf Traktorenspuren, welche uns wieder auf eine freie Fläche führen. Es ist einsames Grasland, welches mit grossen Felsen durchsetzt ist. Wir befinden uns ja jetzt nahe dem Rande des Canyons, an dem Vardzia gelegen ist. Dem GPS vertrauend, nehmen wir Kurs auf den nächsten Ort, der sich noch nicht zu erkennen gibt. Im weglosen Gras geht es naturgemäss nur langsam voran. Wir sind froh, als endlich der Friedhof des Ortes auftaucht. Im Ort selbst geht es noch in den sehr einfachen Laden, der erinnert eher wieder an Tadschikistan als an Europa (wie die Läden hier sonst tun). Der Weg führt nun noch ein kurzes Stück dem Abbruch entlang zum nächsten Ortsteil. Man sieht, dass das Dorf eines Tages aus dem Boden gestampft wurde (wie auch jenes bei Davit Gareji), lauter gleiche Häusertypen, mittlerweile recht heruntergekommen stehen in Reih und Glied. Viele von ihnen nicht mehr bewohnt oder gar nie fertig gestellt. Manche davon werden nun als Scheune verwendet. Am Ortsende kommt der alte Kern zum Vorschein, eine Kirche und ein paar zerstörte uralte Häuser. Nun folgt die Abfahrt nach Vardzia. Eigentlich hatten wir damit gerechnet, dass wir schneller vorankommen, so müssen wir uns schon etwas sputen, um noch vor Schliessungszeit des Höhlenklosters da zu sein. Doch die Rumpelpiste macht es uns nicht einfach, zwar geht es nur bergab, doch der Belag besteht aus losem Schotter, so dass permanent heruntergebremst werden muss. Dafür sind die Tiefblicke umso schöner, doch das Kloster scheint irgendwie nicht näher zu kommen. Christian befürchtet schon, dass wir zu spät zum Kloster kommen und die Pforten schon zu sind. Doch diese Befürchtung erweist sich als unbegründet. Am Besucherzentrum stehen noch einige Busse, welche gerade abfahren, als wir ankommen und beim Ticketschalter gibt man uns noch eine Stunde Zeit, bis keine Eintrittskarten mehr verkauft werden. So können wir sogar noch ein bisschen jausnen, ein Mittagessen fiel nämlich heute aus.
Das Kloster ist noch eindrücklicher, als jenes von Davit Gareji, viel mehr Höhlen sind zu sehen und auch eine Höhlenkirche, von der aus lange Gänge in den Fels führen, durch die man obere Stockwerke im Höhlensystem erreicht. Anscheinend waren die Höhlen nicht immer frei liegend, sondern sind erst durch ein Erdbeben aufgedeckt worden. Im ganzen Tal hat es wohl noch mehrere solche Höhlenkloster, allerdings von deutlich kleineren Dimensionen. Als wir mit der Besichtigung fertig sind, ist es schon so spät, dass wir nur noch 2 km talaus fahren und einen Schlafplatz nehmen. Der Wetterbericht auf dem Handy verheisst nichts Gutes für den Folgetag, es war schon klar, dass wir um ein bisschen Regen nicht herumkommen würden. Ganz unentdeckt bleiben wir am Zeltplatz nicht, ein Bauer treibt noch seine Kühe durch den Wald in dem unser Zelt steht.




























Am Folgetag brechen wir früh auf, um noch ein bisschen ohne Regen unterwegs zu sein. Das Tal ist weiter spektakulär, an der Gegenseite kann man teils noch alte Siedlungen sehen, die aufgegeben wurden. Weiter flussab ist zudem ein riesiges Wasserkraftwerk im Bau, es soll wohl das Wasser des Hauptflusses, in den der Fluss fliesst, dem wir entlangradeln, in unser Tal leiten und turbinieren. Am Zusammenfluss steht auf einem Hügel eine grosse Burganlage, die wir noch schnell erkunden. Touristen hat es hier keine und entsprechend auch keine Eintritte. Erst schaut Christian vor, dann Dina, welche durch einen Führer begleitet wird. Ein Hund der recht zutraulich ist, zeigt Dina alle versteckten Ecken der Burg und bekommt dafür zur Belohnung noch etwas zu essen.
Nun pfeilen wir auf der Hauptstrasse talaus und gelangen Mittags in Akhaltsikhe an, wo wir in einem Restaurant Schutz vor Regen suchen, die Wolken schauen schon sehr bedrohlich aus. Doch der Regen bleibt aus, vorerst. So geht es noch in das Zentrum, wo Christian nach einem Radladen sucht, da das Tretlager schon wieder anfängt zu Nackeln. Leider ist die Suche nicht von Erfolg gekrönt. Dafür schauen wir im Anschluss noch beim alten Stadtzentrum vorbei, welches das eindrucksvolle Schloss umschliesst. Der frei zugängliche Teil des Schlosses reicht uns schon, so dass wir uns den Eintritt für den Rest sparen. Die Wolken ziehen wieder bedrohlich über die Mauern, doch wollen wir noch ein paar Kilometer Richtung türkischer Grenze bei Vale machen. Da die Wolkenstimmung nun seit 3 Stunden so anhält, wagen wir die Fahrt nach Vale, nachdem wir uns versichert haben, dass es dort auch ein Hotel gäbe. Die Umfragen waren zwar keinesfalls eindeutig, doch ein paar Befragte gingen davon aus, dass wir da auch Hotels finden würden. So machen wir uns am Abend noch an den Anstieg. Zunächst geht es noch flach dahin, doch nach dem letzten Ort vor Vale, in dem noch eingekauft wird, steigt der Weg steil bergan. Die Wolken werden wieder bedrohlicher und wir sehen nun schon einige Fallstreifen. Als es dann zu tröpfeln beginnt zündet Christian den Turbo und fährt bis zu einem verlassenen Schuppen um sich unter dem Vordach in Sicherheit zu bringen. Doch Warten hat wohl auch keinen Sinn und so fahren wir im strömenden Regen noch die letzten 2 km nach Vale.
Es ist ein komischer Ort, sieht teils schon verlassen aus und Hotels sehen wir leider doch keine. So fragen wir in einem kleinen Laden nach, wo uns geholfen wird. Ein Junge wird mit uns mitgeschickt um den Weg zur Familie zu zeigen, welche wohl eine Unterkunft anbietet. Dazu müssen wir aber wieder ganz woanders hin. Der ältere Herr begleitet uns zum Dorfplatz, an dem ein baufälliges Gebäude steht. Hier im ersten Stock hat er eine Dreizimmerwohnung, welche für den Fall der Fälle als Unterkunft dient. Man kann fast sagen, dass es eine der einfachsten Unterkünfte auf der Reise ist, Wasser gibt es kein Fliessendes, dafür Strom. Kurz nachdem wir uns eingerichtet haben, kommen jedoch noch drei weitere Gäste, so dass wir unser Gepäck ins Schlafzimmer bringen. Die Nacht über regnet es noch ordentlich, so dass wir froh um das Dach sind. Ganz billig ist die Unterkunft für ihre Ausstattung nicht, aber uns bleibt ja kaum eine Wahl.


















Am nächsten Morgen geht es auf nasser Fahrbahn gegen die Grenze, die umliegenden Berge sind ganz in weiss getönt, es ist spürbar kälter. Wir kommen nun zum ersten Mal seit Juni wieder an eine echte Sowjetaussengrenze, d.h. es ist hier alles voller Wachtürme und wohl auch Zäune. Hier war ja früher die wichtigste Grenze der Sowjetunion gegen ein Nato-Mitglied. Viel Verkehr ist hier nicht mehr, erst am georgischen Grenzposten stehen alle LKW, die hier oft lange für eine Grenzabfertigung warten müssen.
Es sind vor allem iranische Tank-LKW, die wohl zwischen Georgien und Iran pendeln.




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