Donnerstag, 10. Oktober 2013

Im Angesicht von Aragats und Ararat


Wir waren doch zu früh an der Grenze, die wohl erst um 9 Uhr aufmacht, nur welcher Zeit? In der Türkei konnten wir ja wieder eine Stunde zurückstellen. Die wenigen Autos an der Grenze waren auch schon ungeduldig und fuhren teils plötzlich über das Stopschild hinaus. Die LKW-Fahrer waren da schon mehr Geduld gewohnt. Als die Grenze endlich öffnet, stempeln uns die Georgier schnell aus, bei den Türken gibt es noch Diskussionen um ein Formular, das wir ausfüllen sollten, oder auch nicht. Bei der Schlusskontrolle lebt die Diskussion wieder auf, da wir kein Formular ausfüllten, so muss der Grenzer nochmals überzeugt werden.
Endlich drüben geht es auf fein geteerter Strasse weiter. Die Besiedlung ändert sich schlagartig, es hat keine einzelnen Höfe oder Schuppen mehr, bei denen wir uns vor dem drohenden Regen hätten unterstellen können. So fahren wir erst einmal bis Türkgöcü und machen unter einem Vordach ein zweites Frühstück, der Dorfladen hat leider nicht auf. Türkisches Geld haben wir schon in Georgien eintauschen können, so sind wir nicht gleich auf eine Bank angewiesen. Die Strasse steigt nun leicht an, um dann bei Posof wieder die ganze Höhe zu verlieren, es wird noch einmal der Talfluss gekreuzt. Dieweil fahren immer mal wieder LKW an uns vorbei, welche an der Grenze warten mussten. Den weiteren Verlauf der Strasse sieht man nicht genau, doch allem Anschein nach müssen wir wohl heute noch in den Schnee. Es geht jetzt ziemlich steil rauf, immerhin müssen wir über 2000 m. Die Strasse wird nun von einer Pipeline begleitet, welche von Ceyhan am Mittelmeer ans Schwarze Meer geht. Entsprechend finden sich einige Pumpstationen am Wegesrand, teils mit grösseren Wohneinheiten, die vom Militär bewacht werden. Der Herbst hat uns heute richtig eingeholt, mit dem Regen gestern hat es empfindlich abgekühlt und nachdem wir weiter hochgeklettert sind, bleibt der Schnee auch liegen. Mit dem Wind wird es nun richtig kalt. Und als es nahe der Passhöhe auch noch einmal zu schneien einsetzt, schauen wir, dass wir bald einen Schlafplatz finden. Kurz nach dem ersten Dorf verlassen wir in einer Kurve die Strasse und stellen unser Zelt auf einem kleinen Absatz auf. So sind wir gerade nicht von der Strasse einsichtig.










Die Nacht wird richtig ungemütlich, ein richtiger Sturm bricht los, so dass wir die Sturmleinen noch spannen müssen und das Zelt trotzdem noch hin- und hergeworfen wird.
In der Früh begrüsst uns eine Herde Kühe, sie lassen aber unser Zelt in Frieden. Gut eingepackt geht die Abfahrt weiter, bis wir endlich in der Ebene sind. Bisher hatten wir am ganzen Weg noch keinen Laden gesehen, so dass wir uns langsam Sorgen wegen der Lebensmittelversorgung machen. Auch in Damal hat es nichts an der Hauptstrasse, die wir daher verlassen um ins Dorfzentrum zu fahren. Dort finden wir dann alle Läden und kaufen sogar eine einfache Türkeikarte. Beim nächsten Ort das Gleiche, man muss von der Hauptstrasse runter, dann finden wir die Einkaufsmeile und setzen uns in ein Cafe um uns wieder aufzuwärmen. Unser nächstes Ziel ist Kars, doch statt direkt, wollen wir über Cildir und den dort gelegenen See fahren, das verspricht weniger Verkehr. So verlassen wir kurz vor Camlicatak die Hauptstrasse und folgen einer gut ausgebauten Nebenstrasse. Christian wird nach einem Anstieg noch von zwei Bauarbeitern zum Tee eingeladen, als er fertig ist, hat Dina den Berg auch schon geschafft. Nun geht es erstmals in der Türkei durch ein wenig Wald, sonst hat es nur grasige Hochflächen. Nach dem Wald beginnt ein längeres Stück Baustelle, die Strasse ist nur gekiest und daher recht mühsam. Kurz vor Cildir gibt es noch einen Abstecher zu einer eindrucksvollen Burgruine. Zuerst muss man durch ein Dorf, in dem die Hunde ganz scharf sind, dann folgt, wieder Erwarten eine neu angelegte Pflasterstrasse, so dass wir fast bis zur Ruine radeln können. Die letzten paar hundert Meter geht es noch zu Fuss. Die Burg wurde in atemberaubender Lage über einer Schlucht auf einem Sporn gebaut und ist daher besonders malerisch. Da wir nicht so weit von Georgien weg sind, können wir hier nochmal kurz mit dem Handy ins Internet, das Wetter scheint sich immer noch nicht zu bessern.
In Cildir wird nochmals eingekauft, bevor wir zum gleichnamigen See fahren. Leider haben wir nicht damit gerechnet, dass die Strasse hier direkt am Seeufer entlang geht, doch ein kurzer Streifen ist ausgespart, so dass wir dort ein geschütztes Plätzchen am See finden.



















Der nächste Tag empfängt uns mit kaltem Regen, doch als er aufhört machen wir uns relativ früh auf, um am selben Tag noch Kars zu erreichen, für den Folgetag haben wir in der Früh noch jeweils ein Skypegepräch abgemacht um schon mal den Einstieg ins Arbeitsleben vorzusondieren.
Den See entlang entkommen wir noch den Regenschauern, welche in den umliegenden Hügeln mit Fallstreifen drohen und auch bis zum nächsten grösseren Ort, Arpacay, geht es gut vorwärts. Unterwegs sieht man immer mal wieder die Grossbaustelle einer neuen Bahnlinie. Es ist die Gleiche, die wir in Georgien schon gesehen haben. Leider gibt es an diesem Grenzabschnitt noch keinen offziellen Übergang, sonst hätten wir uns 3 Tage Fahrt gespart.
Die Landschaft wird nun noch flacher und die einzige Abwechslung ist ab und an ein Dorf. Da bald Mittag ist, steuern wir eines davon an, doch hat es leider kein Restaurant, dafür eine Teehalle, in der die Männer des Dorfes Karten spielen und Tee schlürfen, wir werden gleich hereingewunken und bekommen einen Chai serviert. Kurz nachdem wir wieder weiterfahren, setzt Regen ein, so dass unsere Brotzeitpause stark verkürzt wird. Wir sind nun bald wieder auf der Hauptstrasse von der Grenze her, doch Kars noch ein Stück weg. Da es nur wenig Unterstand gibt fahren wir trotz Regen weiter. Nur einmal halten wir kurz an einer Tankstelle, wo uns auch gleich wieder ein Tee angeboten wird. Am frühen Nachmittag ist dann schon Kars erreicht. Nun gilt es nur ein Hotel zu finden, mit den Einträgen bei Wikitravel kein Problem. Allerdings müssen wir noch etwas warten, bis unsere Räder versorgt werden, denn gerade ist Kohlelieferung für die Heizung, die Wintervorbereitungen sind am laufen.
Dann werden unsere Räder über den Kellereingang bugsiert. Das Zimmer ist ok und wir können endlich mal wieder duschen. In Kars können wir auch die sonstigen Annehmlichkeiten eines grossen Zentrums wieder auskosten, ein umfangreiches Gastronomieangebot und zahlreiche Läden. Allerdings bleiben wir zunächst im Zimmer, der Regen, welcher bei unserer Herfahrt eher ein mittlerer Landregen war, hat sich in einen richtigen Schauer verwandelt, da hatten wir also noch richtig Glück nicht in diesen geraten zu sein.
Am Abend lässt er dann doch etwas nach, so dass wir doch noch etwas durch die Gassen flanieren können.





Am nächsten Tag versucht sich Christian wieder einmal erfolglos in der Ersatzteilsuche, ein Tretlager mit Industrielagern ist wieder nicht aufzutreiben. Nach unseren Telefonaten geht es erst gegen Mittag aus Kars hinaus, vorher haben wir noch einen Abstecher zur Burg und zur armenischen Kirche gemacht. Nun soll es noch armenischer werden, wir wollen nach Ani.
Das sind die Überreste einer einstmals sehr bedeutenden armenischen Handelsstadt, welche heutzutage in der Türkei liegen, allerdings nur einen guten Kilometer von der armenischen Grenze entfernt.
Da Ostwind herrscht mühen wir uns etwas ab und kommen bis zum Abend nicht zu unserem Tagesziel. Wenigstens sieht man den Aragats, der auch einiges an Schnee abbekommen hat. Im letzten Dorf vor Ani fragen wir noch nach einem Laden. Da dieser so versteckt ist, begleitet uns ein Bauer zu ihm, mangels Auswahl fällt der Einkauf aber mickrig aus. Als wir aus dem Dorf herausfahren, fällt uns eine tote Kuh im Strassengraben auf, sie wurde wohl angefahren. An ihren Eingeweiden frisst sich gerade ein ganz kleiner Hund satt, ein skuriles Bild. Zwei Kilometer weiter schlagen wir uns in die Büsche, bzw. finden einen halbwegs sichtgeschützten Platz in einer Senke.
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Auch wenn wir nicht so weit weg vom Dorf sind, verläuft die Nacht ruhig. Am nächsten Morgen sind wir früh in Ani und warten darauf, dass der Ticketschalter auf geht. Wir sind natürlich die Einzigen, Ani ist halt auch eine der entlegensten Sehenswürdigkeiten der Türkei. Zudem scheint die Stätte sträflich vernachlässigt worden zu sein, so dass die Türkei sogar von den Vereinten Nationen gerügt wurde. Auch heutzutage kann man beim Lesen der Desinformationstafeln nur den Kopf schütteln. Dort wird jeweils hervorgehoben, wie türkisch die Gegend doch sei und die lange Tradition der Armenier wird heruntergespielt. Das einzige Gebäude, welches rechtzeitig erhalten, bzw. wiederinstandgestellt wurde, ist eine Moschee. Bei den Kirchen wird nun versucht zu retten, was zu retten ist. Die Stadt war riesig und wurde mit Byzanz verglichen, so dass wir einige Zeit durch die Ruinen schlendern können.
Nach der Besichtigung versuchen wir auf kleinen Strassen nach Süden zu gelangen. Am Dorf bei dem wir übernachtet hatten, geht es auf eine kleine Strasse ab. Zwischendurch treffen wir auf eine Herde Schafe, welche von zwei Hunden bewacht werden. Die Hunde bellen zwar, aber wollen anscheinend nur spielen, nach einer kurzen Verfolgung lassen sie wieder von uns ab. Von Radfahrern hört man immer viele Schauergeschichten zu den anatolischen Hirtenhunden, doch auch in den folgenden Tagen haben wir keinerlei negative Erlebnisse mit ihnen, anscheinend wollen sie tatsächlich nur spielen. Bei Digor kommen wir wieder auf die Hauptstrasse. Um einzukaufen machen wir einen Schlenker durch den Ort. Als wir wieder herausfahren wirft ein Junge einen Stein nach uns. Christian lässt das Rad liegen und verfolgt ihn mit vollem Eifer. Der Junge bekommt es richtig mit der Angst zu tun und flüchtet in ein Haus, hoffentlich hat er seine Lektion gelernt. Hier in der Gegend bekommen wir es ab und an mit Steinewerfern zu tun. Zudem nervt es sehr, dass die Kinder meistens "money, money" rufen. Wir verlangen im Gegenzug Lira.
Wir fahren noch etwas in den Abend, der geplante Schlafplatz liegt am Abbruch vor einem grösseren Canyon. Leider hat sich auch eine Kaserne diesen Ort ausgesucht, so dass wir einen Feldweg nehmen und wieder in einer geschützten Senke übernachten. Das Wetter hat sich mittlerweile wieder beruhigt und es wird wärmer.

















Am nächsten Morgen geht es erst einmal endlos den Canyon hinunter, natürlich muss das alles auch wieder hinauf gefahren werden. Aber zunächst folgen wir einem Flusstal, wohl eine der klimatisch gesegneteren Regionen hier in Ostanatolien, da so tief liegend. Unterwegs schenkt uns ein Bauer Äpfel von seiner Plantage.
Eigentlich hatten wir gehofft hier im Tal noch einen Laden zu finden, doch kommt die ersten 30 km kein Ort mit Laden in Sicht, am grössten Ort stehen nur noch die verwachsenen Ruinen eines ehemaligen Geschäftes. Neben der Landwirtschaft ist die Hauptaktivität im Tal die Wasserkraft, ein Kraftwerk ist kurz vor dem Abschluss des Baus, ein anderes sieht recht neu aus. Und trotz OSM-Karte wartet kurze Zeit später eine Überraschung auf uns, ein relativ neuer Stausee setzt grosse Teile des Tales unter Wasser und verlangt eine neue Strassenführung. Wir befürchten schon, dass wir nun unsere Route ändern müssen, da wenige Kilometer weiter unser beabsichtigter Weg über einen Nebenweg durch ein Seitental weiterginge, nur leider befindet es sich auf der anderen Seite des Sees. Zum Glück ist der See dann doch noch gerade zu Ende und nachdem wir an der Kreuzung einen Laden gefunden und dort eingekauft haben, können wir doch die Nebenstrasse nehmen.
Diese führt zunächst eher flach dahin und passiert noch ein paar Dörfer, dann setzen die Serpentinen ein und es geht ans eingemachte. Anfangs ist es noch die ursprüngliche Strasse, dann setzt die überdimensionierte Trasse eines Neubaus ein. Kurz vor dem Pass sind Arbeiter noch am Verladen der Baustellenüberreste. Wir fahren noch bis zum Pass, dann ist es sowieso so spät, dass wir einen Zeltplatz brauchen. Querfeldein schieben wir noch zu einer Aussichtsplattform. Hier liegt zwar noch Schnee, doch der Sonnenhang ist schon recht schlammig und aufgeweicht. Die Plattform ist ein prima Platz, zumindest von der Sicht, die nach Norden geht. Die paar Autos, die hier noch drüber fahren stören uns nicht und verbringen wir eine ruhige Nacht (zum Glück ist der Wind nicht so stark)





























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