Montag, 20. Mai 2013

Schlammschlacht auf der Teerstrasse

Anfangs Nacht in Achaxiang hörte man es noch vom Dach tröpfeln, mitten in der Nacht nahm das Geräusch jedoch ab, so dass wir schon auf eine Wetterbesserung in der Früh hoften. Leider war dem nicht so, der Regen hatte sich einfach in leichten Schneefall gewandelt. Mit Aufstehen hatten wir daher keine allzu grosse Eile. Die aufgehängten Sachen waren über Nacht im unbeheizten Zimmer natürlich überhaupt nicht getrocknet. Wir mussten nun entscheiden, ob wir noch weiter warten wollten, oder eine der beiden am Vorabend diskutierten Routen nehmen sollten. Ursprünglich sollte es weiter auf Hochlandpisten nach Norden gehen, doch Dina machte sich für die gestern entdeckte Teerstrasse Richtung Garze stark und auch Christian sah da noch eine interessante Variante. So entschieden wir uns für Teer, da wir befürchteten, dass die Piste nach Norden, nach 2 Tagen Dauerregen eventuell schlecht befahrbar sein würde und daher Teer deutlich angenehmer wäre. Wir machten noch schnell ein paar Besorgungen im Ort, der eher den Eindruck einer Wildweststadt macht (mit all den Holzhäusern und den schlammigen Strassen), auch das Publikum ist spannend zu beobachten in den Strassen, die Männer sehen oft wild aus, während die Frauen hübsch geschmückt sind. Ihnen scheint der Regen nicht so viel auszumachen, nur wenige Regenschirme sind zu sehen, sonst spaziert man ohne durch die Gegend.
Als wir den Eindruck haben, dass der Schneefall nachlässt, brechen wir auf, erst geht es auf dem gestrigen Abschnitt zurück zur Kreuzung. Leider setzt bald hinter Achaxiang wieder stärkerer Schneefall ein, es ist eher Nassschnee, welcher recht andauernd vom Himmel fällt. 2 Kilometer hinter der Kreuzung dann die nächste böse Überraschung, Schilder vom Strassenbau stehen herum, eines von ihnen scheint sogar eine Sperrung anzugeben. Und natürlich hört hier der schöne Teer auf. Schön war vielleicht übertrieben, die Strasse war von Schlaglöchern übersät, aber als Velofahrer macht so etwas wenig aus, insbesondere bei Regen. Der Schneefall wird immer dichter und die Kleidung wieder durchnässt. Christian hatte extra noch Handschuhe gekauft, da gestern seine Überhandschuhe völlig durchnässten, so war das nicht gedacht. Einen Kilometer weiter sind dann die Bagger schon am Arbeiten, am Ersten kommen wir noch vorbei, der Zweite belädt Kipplastwagen, die auch den Weg versperren, so dass wir warten müssen. Die Wolken hängen heute extrem tief, so dass man zum schlechten Wetter auch keine Sicht hat. So sind wir froh, als noch einmal ein Ort auftaucht. An einem Laden suchen wir Unterstand vor dem Nassschneefall. Der Mönch, der den Laden betreibt lädt uns ein hineinzukommen und zu wärmen. Ein Restaurant hat es im Ort nicht, so dass wir im Laden noch zwei Töpfe Instantnudeln kaufen und an der warmen Herdplatte (ersetzt die Heizung) verzehren.

Der Gemüsestand ist beliebt
Malerei im Kloster von Achaxiang

Die Schlammschlacht steht noch bevor
Etwas gewärmt geht es weiter im nasskalten Wetter. Dieses ist heute noch schlechter als gestern, da an einen Regen/Schneeunterbruch nicht zu denken ist. Christian ist genervt vom Wetter, Dina von der Strasse. Die Chinesen haben wieder ganze Arbeit geleistet und nichts vom Asphalt übrig gelassen, mal ist er weggeschoben, mal Kies drübergeschüttet. Mit der ganzen Nässe ist die Fahrbahn ziemlich aufgeweicht und recht klebrig, so dass wir nur langsam vorankommen, obwohl die Steigung sehr moderat ist. Immer wieder kommen Baustellenabschnitte und an einem weiteren müssen wir wieder warten, bis ein LKW voll beladen ist. Die Strasse führt nun in ein einsames Hochtal, in dem noch ein grösserer See liegt, bei Sonne sicher schön anzuschauen, nur heute kann nicht viel Zauber versprüht werden. Sobald die Strasse flacher geführt ist, werden die Schlammstellen übler, man muss durch richtige Schlammpfützen durchfahren, das Rad ist schon wieder völlig versaut und die Kette ächzt bei jeder Umdrehung ob der Schlammschmierung. Leider kommen jetzt keine Ortschaften mehr, in denen man sich wärmen hätte können, nur ein paar einfache Bauarbeiterzelte säumen den Strassenrand. Das sind auch arme Teufel hier, die bei dem Wetter hier arbeiten und hausen müssen. Gegen spätem Nachmittag erreichen wir doch noch den Pass, davor zeigt eine einmündende Piste, dass der Strassenzustand nicht so schlecht sein müsste. Aber der viele Verkehr hier tut sein übriges. Manch ein Fahrer ist auch absolut rücksichtslos, so wird Dina von einem Baustellen-LKW mit einer vollen Matschbreitseite versehen, so dass sie sich im Schnee wälzen muss, um ihn wieder loszubekommen. Um die Passhöhe herum ist die Strasse in besonders üblem Zustand, weil hier mal wieder viele horizontale Abschnitte sind. Teilweise erinnert das hier an Bilder, die man von der russischen Fernstrasse "Lena" kennt, Schlamm wohin das Auge reicht. Zum Glück ist er so flüssig, dass wir nicht mit blockierenden Rädern zu kämpfen haben, dennoch ist es nervig, wenn man zu Fuss durchmuss. An der Passhöhe bekommen wir dann noch Anschauungsunterricht in der Unfähigkeit der Chinesen, Probleme zu lösen. Wir sind ganz überrascht, als wir dort oben die ganzen LKW wiedersehen, welche uns heute im Laufe des Tages überholt hatten. Diese warten vor einem Schlammloch, in dem ein Minibus feststeckt. Ein Schaufelbagger versucht durch zufügen von Material diesem Fahrzeug aus der Patsche zu helfen, doch anscheinend ohne Erfolg. Auch in Gegenrichtung staut es daher. Warum keiner der Anwesenden den Kleinbus aus dem Schlammloch zieht ist nicht ganz verständlich, das wäre die schnellste Lösung gewesen. Wenn das Problem gelöst ist, tut sich das nächste auf, in Gegenrichtung haben natürlich ein paar LKW zum Überholen der Schlange angesetzt, so dass für Fahrzeuge aus unserer Richtung kein Durchkommen sein dürfte, wir kommen mit dem Rad gerade so durch. Kurz nach der Stelle mit dem Stau liegt auch schon ein Tank-LKW im Strassengraben. Ein Bergungsteam ist wohl schon eingetroffen und diskutiert, was zu tun sei. Gleich darauf werden wir von einem Autofahrer angesprochen. Er steht mit einem Reifen am Strassenrand. Zunächst verstehen wir nicht, was er will, sollen wir ihm helfen, den Reifen herunterzudrücken und zu flicken? Nein, er braucht nur eine Luftpumpe und meint, wir könnten ihm helfen. Wir weisen sein Ansinnen zunächst zurück und meinen, dass hier doch genügend Fahrzeuge versammelt sind, die ihm helfen könnten, insbesondere LKW haben ja meist Druckluft. Doch anscheinend hat er schon Einige vergebens um Hilfe gefragt. So packen wir doch unsere kleine Luftpumpe aus und machen uns an die Arbeit. Der Autofahrer scheint zufrieden und pumpt auch eifrig, fast zu eifrig, so dass wir Angst um die Pumpe haben. Nach einer Viertelstunde wollen wir auch mal weiter, da es langsam spät wird und wir noch keinen Schlafplatz haben. Lustiger Weise sehen wir nun, dass beim nächsten Fahrzeug eine Standpumpe ausgepackt wird, es scheint also doch geeigneteres Material zu geben, wieso ging das nicht früher? Nun machen wir uns an die Abfahrt, doch zunächst geht es flach weiter und zwei kleinere Defekte plagen auch uns, zunächst verklemmt sich Christians Kette an den Kettenblättern vorne, dann gibt Dinas Scheibenbremse komische Töne von sich, auch sie scheint Schlamm nicht zu mögen. Als wir kurze Zeit später einen riesigen Felsen am Wegesrand sehen, der budhistische Zeichnungen in sich eingraviert hatte und davor ein flaches Fleckchen Gras ist, zögern wir nicht lange und schlagen das Zelt auf. Wir sind nur wenig unter der Passhöhe und haben mit 4500 m die bisher höchste Nacht der Reise. Leider hört es auch am Abend nicht auf zu schneien. Immerhin hatte sich wohl der Stau aufgelöst, kurz vor unserem Schlafplatz überholen uns die ganzen LKW. Der Schnee wird noch weggeräumt um einen halbwegs trockenen Schlafplatz zu haben und schliesslich noch in der Apsis gekocht.

Hier war mal Teer
Eingeschlammt
Der dadurch verursachte Stau
Der Schneemann fährt mit
Ach können die nicht hintereinander anstehen
Kleine Pumpe für grossen Reifen aber für Mönche tut man doch viel
Unser Zeltplatz gleich neben der Strasse und nur leicht unterhalb des Passes
Die Nacht schneit es durch, so dass auch unser Zelt recht eingeschneit ist und unsere Lüftung suboptimal ist. Das äussert sich in Kondensfeuchte, welche sich auch im Innenzelt bildet und so auch Matten und Schlafsäcke anfeuchtet. Wir hoffen dass der nächste Tag besser wird.
Doch auch am Morgen ist es grau und schneit weiter, so dass wir den Morgen lesend im Zelt verbringen. Erst gegen Mittag macht uns nachlassender Schneefall Hoffnung. So packen wir nach dem Mittagessen das Zelt zusammen und machen uns auf den Weg hinunter. Die Strassenverhältnisse sind nicht besser geworden, noch immer steht der Schlamm auf der Strasse, die Abfahrt ist auch nur von kurzer Dauer, dann zieht sich die Strasse ein flaches Tal hinaus, das bedeutet noch mehr Schlamm. An sich wäre die Landschaft hier wunderschön, doch uns sind nur wenige Blicke vergönnt. Unter der Passhöhe hat es nochmal ein paar kleinere Seen, die Hänge sind strauchbedeckt und überall liegen riesige runde Felsbrocken herum. Nach der kurzen Wetterbesserung um Mittag setzt wieder starker Nassschneefall ein, so dass das Fahren wieder unangenehm wird. Er intensieviert sich teilweise zu einem Whiteout, man sieht vor lauter Schneefall fast nichts mehr. Die Abfahrt wird zur Qual und wir sind froh als wir unten ein paar Häuser sehen, es ist aber vor allem eine Polizeistation, gegenüber hat es noch einen kleinen Laden, vor dem wir unsere Velos abstellen. Der Inhaber hilft Dina gleich noch beim parkieren und lädt uns ins Ladeninnere ein, ein Mopedfahrer der uns gerade überholt hatte ist auch schon zum Aufwärmen hineingegangen. Wir kriegen noch ein heisses Wasser zu Trinken (heisses Wasser wird hier standardmässig zum Trinken gereicht, kein Tee) und kaufen noch ein paar Kekse dazu und probieren ein Instantkakaogetränk. Als wir noch etwas aus den Packtaschen holen wollen, sehen wir, dass es wieder aufklart, der halbe Himmel ist blau, das hatten wir nun drei Tage nicht mehr. Derweil versucht Christian noch Michi Bescheid zu geben, dass wir noch ein paar Radersatzteile brauchen, die Schlammpiste hat unseren Rädern gar nicht gut getan. Wir hoffen, dass das mit dem Versand an einen unserer Etappenorte klappen wird.

Die Sonne drückt
Blick ins Tal
Nur nicht hinfallen
Nicht schon wieder Regen
Es ist nun schon später Nachmittag und die nächste Routenentscheidung steht an, weiter auf nicht vorhandenem Teer oder eine Piste nehmen. Wir entscheiden uns für letzteres, die Hauptstrasse ist in deutlich schlechterem Zustand. So geht es zu einem nahe gelegenen Punktort, der allerdings noch nicht einmal einen Laden hat. Davor werden die Räder an den kritischen Stellen noch gewaschen, für Kosmetik bleibt keine Zeit und noch sind wir nicht sicher ob sie nicht gleich wieder so zugesetzt werden. Am Pass hatten wir schon einmal kurz gereinigt, 200 m war der Effekt nicht mehr zu sehen.
Im Ort meinen ein paar Mönche wir sollen doch lieber bei ihnen übernachten, es würde noch einmal Schnee kommen. Doch wir vertrauen auf unser Zelt. Kurz darauf sehen wir auch schon einen schönen Platz zwischen ein paar Häusergruppen aber uneinsichtig von diesen, dafür von der Piste aus. Kaum ist das Zelt aufgebaut und das Gepäck eingeräumt bricht noch einmal das schlechte Wetter mit voller Gewalt los, es graupelt so, dass wir es für Hagel halten und schon um den Zeltstoff fürchten. In Kürze ist die ganze Landschaft weiss eingetaucht und um das Zelt liegt ein Haufen weisser Kugeln, die lustige Konsistenz haben, fast wie Styropor. Der Graupel geht in leichten Schneefall über und als wir nach dem Essen noch die Zähne putzen zeigen sich schon Mond und Sterne. Die Abendstimmung war heute dafür genial. Hoffentlich haben wir nun die schlimmsten Wetterkapriolen hinter uns, bislang war das die härteste Prüfung auf Tour.

In der Nähe von Ase Ercun
Unser Zeltplatz hinter dem Kloster bei Ase Ercun
Werk weniger Minuten
Die Stimmung ist schön
Besuch beim Zelt

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